{Rezension} Kiss&Crime- Zeugenkussprogramm von Eva Völler

by - Januar 07, 2021

Man nehme: eine provinzielle Kriminalgeschichte mit einem Ende, das so unwahrscheinlich ist, dass man es niemals in Betracht gezogen hätte, einen Personenschützer, der fast aus seiner Lederjacke platzt, die wohl kindlichste Abiturientin, die mir jemals untergekommen ist und eine Liebegeschichte, deren Verlauf an Unnatürlichkeit und Erzwungenheit fast nicht mehr zu überbieten ist. Verpackt in einem stellenweise unbeholfenen Schreibstil und garniert mit allen erdenklichen Klischees kommt dabei ein Buch wie "Kiss and Crime- Zeugenkussprogramm" heraus. Ich bin mir sicher, dass ich einige Jahre zu alt für dieses Buch bin, aber in Anbetracht der Tatsache, dass die Protagonistin angeblich so alt sein soll wie ich, fühle ich mich durchaus dazu ermutigt, ein paar Kritikpunkte zu äußern.



Die erste Hürde, die es zu bewältigen gilt: in die Geschichte hineinfinden. Bereits auf der ersten Seite hatte ich Probleme mit dem Schreibstil. Ich bin über eine ganze Reihe Formulierungen gestolpert und leider ist das im Laufe des Buches nicht besser geworden. Manches war viel zu undetailliert, Atmosphären wurden nicht genügend ausgebaut und die Ereignisse mehr oder minder heruntergerattert, ohne auch nur ansatzweise Spannung zu kreieren. Immer, wenn man mal etwas aus der Geschichte hätte herausholen können, wurden Dinge überstürzt. Gefühle kamen nicht richtig herüber und so wurde es immer langweiliger und flacher. Nach einigen Kapiteln stellte sich pure Resignation bei mir ein.

Die nächste Hürde: über die ganzen Klischees und albernen Details hinwegsehen. Wir haben die Omi, die immer spicy Historik-Erotik-Romane diktiert und damit ein kleines Vermögen zu verdienen scheint. Ebenso scheint dieses Verhalten niemanden zu stören- nein, ganz im Gegenteil, alle sitzen gespannt da und wollen wissen, wie es bei Lady Irgendwas und Lord Schlagmichtot spätestens in Kapitel 4 heiß hergeht. Absolut normal. Natürlich. 

Genauso normal wie der natürlich viel jüngere (und kriminelle) Freund, Jonas, von Emmys Mutter, der nichts Besseres zu tun halt, als Emmys beste Freundin, Yasemin, anzubaggern. Klar. Und Emmy, die von ihrer eigenen Mutter gefragt wird, wie es sich anfühle, die unscheinbare Freundin neben der Granate an besten Freundin zu sein. Die Mutter, die wild mit Jonas herumknutscht und vollkommen naiv und blauäugig ist. Aber wer denkt, dass er nun alle Klischees über sich ergehen hat lassen, der hat sich gewaltig getäuscht.

DENN DANN KAM ER!

Pascal, leicht verrucht in seiner abgewetzten Lederjacke und an Charme und Schönheit offenbar nicht zu überbieten, erobert direkt das Herz von Emmy. Obwohl er es natürlich als ihr Personenschützer nicht darf. Wie dumm aber auch.

 Meiner Meinung nach hat er ihr niemals wirklich Avancen gemacht, aber für Emmy war die Sache nach einem Ereignis glasklar: Als Pascal ihr einmal Ketchup weggewischt hat (seine Behauptung) konnte sie damit natürlich nicht leben. Nein, ganz die gewiefte Intelligenzbestie kommt sie ihm auf die Schliche, indem sie sich Ketchup aufs Gesicht schmiert, unterschiedlich lange wartet und im Selbstversuch wieder wegwischt, um auf die Erkenntnis zu kommen, dass man es niemals ohne Rückstände wegwischen kann. 

Also, geneigte Leser, hört auf die gute Emmy: wenn jemals jemand vorgibt, euch Ketchup vom Gesicht gewischt zu haben, dann lügt er und ist eigentlich unsterblich in euch verliebt.

 Danke, Emmy, was täten wir doch alle nur ohne dich!

Ihre Beziehung wirkte auf mich nie wirklich echt, sein Liebegeständnis kam irgendwann aus heiterem Himmel und war so dermaßen gestelzt, dass es mich richtig zum Lachen gebracht hat, was definitiv so nicht sein sollte. Emmy verhält sich wie eine liebestolle 13-jährige und rundet damit das Bild dieses unpassenden Paars ab.

Dass der Bösewicht mal wieder Osteuropäer war und es natürlich um eine große Summe Geld geht, lässt einen dann fast schon kalt. Ebenso wie Tommy, der Nerd und nette Junge von nebenan, der natürlich in allen Naturwissenschaften nur 15 Punkte hat, aber sozial vollkommen unbeholfen ist. Man lässt hier eben einfach kein Klischee aus. 

Ich will nicht zu viel auf das Ende eingehen, aber ich kann nur sagen, dass ich es als vollkommen unrealistisch empfinde. So groß können Zufälle eigentlich nicht sein und es war das erste Mal in meiner Geschichte als Leserin, dass ein Plottwist mich überrascht hat, weil er so unwahrscheinlich war. So vollkommen schlüssig war es für mich auch nicht, aber was soll ich mich aufregen, hab ich ja schon genug getan. 


Ehrlich gesagt gibt es noch einen ganzen Haufen an Dingen, die mich an diesem Buch gestört haben. Da ich aber nicht den Rahmen sprengen möchte, ein letzter Satz von mir: Man kann das Buch in einem akuten Anfall von Lockdownlangeweile mal lesen, aber wenn man es nicht tut, verpasst man jetzt auch nicht das literarische Meisterwerk der Neuzeit.





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1 Kommentare

  1. Sehr gute Rezension. Habe sie mir auf jeden Fall komplett durchgelesen

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