Rezension: "Und ich leuchte mit den Wolken" von Sophie Bichon

by - September 11, 2021

 Sophie Bichon ist eine der Autorinnen, die ich schon lange, bevor ich jemals ein Buch von ihr gelesen habe, verfolgt hatte. Und sie ist einer der wenigen Menschen, die ich als inspirierend beschreiben würde. Auf ihrem Instagram-Account teilt sie Momente aus ihrem (queeren) Leben, die mich immer wieder zum Nachdenken anregen. Mir viel über Queerness und Labels beigebracht haben, mir immer wieder vor Augen geführt haben, wie wichtig es ist, auch als straighte Person die LGBTQAI+-Community zu supporten. 

"Und ich leuchte mit den Wolken" ist ein Plädoyer an die Liebe. Ein Buch, das das Leben und die Liebe liebt, beides in all seinen Facetten aufzeigt und einem etwas von Lilous lebensbejahenden Spirit ins Herz pflanzt. Ein Buch, das für pure Akzeptanz steht, für die Liebe ohne Grenzen in einer Stadt, die genauso von der Liebe lebt wie die Geschichte der Beiden. Die Leichtigkeit des Seins, gepaart mit Freiheit, leuchtenden Wolken und Paris' einzigartigem Himmel, voller Farbe, aber auch Ernsthaftigkeit, einem Glasherzen, Verloren-Sein und Sich-finden- alles Aspekte, die sich in dem Buch wiederfinden. Ich habe vielleicht 70 Seiten gebraucht, um in der Story anzukommen, aber ab da fühlte es sich wie eine Reise in Buchform an- eine Reise nach Paris, aber auch eine Reise zu sich selbst. Denn es geht um viel mehr als nur Queerness- sondern vor allem auch das Herausfinden, was man selbst will. Was man von dem Leben für sich erwartet. Welche Dinge einen glücklich machen, welche man verfolgen möchte, ganz egal, wer oder was einen davon abhält. Ein Mutmachbuch, bis zur letzten Seite.



Informationen zum Buch:

Titel: "Und ich leuchte mit den Wolken"; Autorin: Sophie Bichon; Verlag: Heyne; Datum der Ersterscheinung: 13. April 2021; Art: Paperback; ISBN: 978-3-453-42530-9; Seitenzahl: 448


Rezension: 

Ein zentraler Aspekt, der dieses Buch prägt und besonders macht, sind die Charaktere. Mignon ist so französisch, dass es fast schon wehtut- rotes Barett, ein eleganter Fashion-Stil, artsy und modern, melancholisch und ernst, etwas unnahbar, doch tief in ihrem Inneren voller Liebe, erwachsen und bewundernswert-, aber das macht sie zu dem absolut perfekten Gegenstück zu Lilou. Die Klischees haben mich also absolut nicht gestört, was ich wirklich verwunderlich finde. Lilou ist wie ein Blütenblatt im Wind, irgendwie. Auf der Suche nach Freiheit, nach sich selbst, obwohl "sie so sehr bei sich selbst ist". Im Moment lebt, zu ihrer Queerness steht, sich in das Innere eines Menschen verliebt und somit eine so tiefe Bindung zu Menschen, Momenten und Dingen aufbaut. Die bunt ist, das Malen liebt, ihrem Herzen folgt, wie eine Sonnenblume durch die Welt streift und gute Laune verbreitet. Die aber auch ernst und mal verletzlich ist, die auch ihr ganz eigenes Päckchen zu tragen hat, sich davon aber niemals herunterziehen lässt. Die mit ihren 18 Jahren zwar planlos, aber dennoch so unglaublich weise und reflektiert ist. Eine Person, die einen dazu anregt, mehr wie sie sein zu wollen- aber nicht auf eine "guck mal, ich bin besser als du"-Weise, sondern eine Art, die dich an die Hand nimmt, dich auf leisen Sohlen zu mehr Freiheit und Losgelöstheit führt. 

Der ganze Plot fühlt sich leicht und natürlich an. Wie ein Sommer in Paris, voller kleiner und großer Momente, die zum großen Ganzen führen. Voller Unsicherheiten, aber auch voller Mut. Ich habe wirklich das Gefühl, dass viel passiert ist in dem Buch- kein großes Drama oder so, sondern einfach so viel, wie in einem Leben in einer solchen Stadt passiert. Wie ein authentischer Ausschnitt aus einem Leben in einer der schönsten Metropolen Europas, magisch und prickelnd, niemals vulgär. Ich bin selbst nicht queer, also kann ich nicht aus persönlicher Erfahrung sprechen, aber auf mich persönlich wirkte alles sehr authentisch und lebensnah. Echt, mit Höhen und Tiefen, greifbar. In diesem Buch ging es für mich aber auch ab einem gewissen Punkt nicht mehr um den Plot, sondern einfach um dieses leichte Gefühl beim Lesen, gespickt mit Melancholie. Die Szenerien, die so präzise beschrieben wurden, dass alles lebhaft vor meinem inneren Auge zu sehen war. Die Charakterentwicklung, wie die beiden sich gegenseitig auf positive Weise beeinflusst haben. Wie Mignon ihre Sexualität ergründete, wie mit den Themen Sexualität und Nacktheit etc generell umgangen wurde. Irgendwie sehr natürlich. 

Die Leichtigkeit in der WG, die Nebencharaktere, zu denen ich allesamt auch nochmal eine eigene Geschichte hätte lesen können, bleiben mir ebenfalls positiv in Erinnerung. Wie Band 1 schon zart mit Band 2 verknüpft wurde, wie an Träumen festgehalten wurden, während andere losgelassen wurden. Mit wie viel Präzision Sophie Bichon Gefühle und Atmosphären beschreiben kann, wie immer wieder französische Worte oder Halbsätze eingebaut wurden. Und, und, und.

Ehrlich gesagt wurde ich jetzt beim Schreiben der Rezension richtig wehmütig, sehne mich zurück nach dem Parisfeeling, der Geschichte. Nach Schriftstellerboy Benoît, der mich dazu angeregt hat, auch selbst mal mein Glück bei einem Manuskript zu versuchen und mich nicht von meinem Perfektionismus aufhalten zu lassen. Nach Lilou, die mich ebenfalls dazu ermutigt hat, einfach mal mehr zu machen und weniger zu grübeln- offen zu sein, darauf zu hören, worauf man gerade Lust hat. Nach Mignon, die mich dazu gebracht hat, bei Bildern oder Menschen nun immer nach dem rebellischen Strich zu suchen. 

Ich kann dieses Buch wirklich guten Gewissens empfehlen. Eine Own-Voice-Geschichte, die erste queere Romance überhaupt, die mich überzeugen konnte. 


Bewertung:

4,5 von 5 Sternen 

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